6 Stunden Flug. So viel liegen zwischen mir und meinem Leben als Superstar. 6 mickrige Stunden. Doch davon weiß ich noch nichts, als ich am Flughafen in Brüssel mein Frühstücksei verspeise. Hier bin ich ein Niemand, auf der Suche nach mir selbst mit einem Koffer voller Träume. Wohlbehütet in der distanzierten europäischen Kultur. Doch das soll sich bald ändern.

Bereits am Gate fallen mir die Blicke einiger meiner Mitreisenden auf. Ethnisch gesehen bin ich hier eher in der Minderheit. Mit meiner weißen Haut – die sich trotz intensiver Verweigerung von Sonnencreme vehement sträubt einen exotischen Touch anzunehmen – steche ich aus der Masse, wie das Barista-Muster auf dem Cappuccinoschaum. Schön anzusehen, aber gemacht, um nach dem obligatorischen Foto respektlos zerstört zu werden. Von diesem Schicksal weiß ich jedoch genauso wenig, wie der Schaum.

Die 6 Stunden vergehen. Und damit rückt mein Aufstieg in den Superstar-Himmel in greifbare Nähe.

Ich ahne noch nicht wie nah Himmel und Erde beieinander liegen.

Schon am Flughafen scheine ich aufzufallen. Köpfe wandern interessiert in meine Richtung, während ich versuche mich im Schilderwald zurecht zu finden. Meine Leggings fühlt sich plötzlich außerordentlich eng und figurbetont an. Mehr als sonst. Ich binde instinktiv meine Jacke um die Hüften und beschließe für die nächsten Tage auf meine weite Culotte zurück zu greifen.

Du siehst schon aus, wie eine richtige Inderin“, bemerkt meine Begleitung, als ich ein paar Tage später mit weiter Hose und bauchfreiem Oberteil für neue Schandtaten bereit bin. Lachend nehme ich die Aussage als Kompliment auf und stürze mich mit ihm ins Getümmel der Sehenswürdigkeiten von Rajasthan. „Zum Glück bin ich in männlicher Begleitung, dann werde ich in Ruhe gelassen“, denke ich noch. Und irre mich.

Fasziniert von der beeindruckenden Umgebung renne ich wie Hans Guck-in-die-Luft durch die Gegend und lasse alle Eindrücke auf mich wirken. Dabei bemerke ich erst Stück für Stück, wie ich selbst wirke. Jahrhunderte alte architektonische Meisterwerke scheinen neben mir zu verblassen und in Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Schon aus meilenweiter Entfernung bin ich sichtbar wie der Eiffelturm bei Nacht. Erstaunten Blicken folgen nicht viel später die ersten Fragen nach einem gemeinsamen Selfie. Und so war mein unfreiwilliger Aufstieg zwischen die Stars und Sternchen geschafft. So zumindest fühlt es sich an, wenn Menschen ihre Arbeit niederlegen, weil sie von deinem Anblick so fasziniert sind, beinahe Verkehrsunfälle entstehen, weil der Fahrer seinen Blick nicht mehr lösen kann und alle paar Minuten jemand um ein Foto mit dir bittet. Ich will eigentlich meinen Weg weiter gehen. Aber man will ja auch nicht die Fans vergraulen. Es macht auch irgendwo Spaß. Zumindest zu Beginn. Denn der Schritt zwischen interessantem Lebewesen und Objekt des öffentlichen Interesses ist erstaunlich klein.

Vom Sternenhimmel zum Bordstein zurück.

Und das in Lichtgeschwindigkeit. Mein Dasein als Star hatte die Lebensdauer einer Sternschnuppe. Dann nämlich wurden die erstaunten Blicke immer unverhohlener. Weiter Kleidung zum Trotz spüre ich wie ich gemustert werde, wobei die Blicke nur kurz mein Gesicht streifen und schließlich meinen kompletten Körper begutachten, als wäre ich ein Apfel in der Obstabteilung. Männer verlangsamen ihren Schritt, um schließlich auch in den Genuss einer Rückansicht zu kommen, wenn ich sie dann am Ende meines Geduldsfadens doch überhole. Und die höfliche Frage nach einem Selfie wird immer häufiger umgangen, indem mir mehr oder minder heimlich – doch fast immer ziemlich ungeschickt – die Kamera ins Gesicht gehalten wird. Ich habe nicht mehr mitzubestimmen, was mit meiner Person passiert. Ich bin objektifiziert, freigesprochen von Selbstbestimmung und Achtung. Und die männliche Begleitung an meiner Seite hat keinerlei Signalwirkung an die Umgebung. Lediglich die aufdringlichsten „Interessenten“ kann er mit eindeutiger Körpersprache und ein paar bestimmten Worten abschütteln. Gegen den Rest sind wir machtlos.

Ich gewöhne mich alsbald an meine Situation.

Blickkontakt meide ich tunlichst, will ich doch nicht aus Versehen non-existentes Interesse ausdrücken. Ich spüre die Blicke weiterhin auf mir, beschließe sie jedoch zu ignorieren und hinzunehmen. Anfragen nach Selfies lehne ich höflich, aber bestimmt ab, ebenso wie Händeschütteln oder den Versuch ein Gespräch zu beginnen. Außer es sind Kinder. Und ja, manchmal da nutze ich meinen vermeintlichen Ruhm auch zu meinem Vorteil. Es muss ja auch etwas Gutes haben.

Ich habe einen 3-wöchigen Schnupperkurs unternommen und kann wohl behaupten, dass ich mit meiner Aufgabe gewachsen bin. Meine Erkenntnis aus dieser Zeit: Es nicht einfach als Star. Und der Boden ist näher am Himmel, als man glaubt. So sehr ich die Zeit in diesem verrückten Land genossen habe, genauso froh bin ich, es nun wieder hinter mir zu lassen. Zurück zum Otto Normalverbraucher. Zurück zum Selbstbestimmungsrecht. Raus aus der Objektifizierung. Ach ja, und zurück in meine Leggings!