Umstände verketteten sich und schon fand ich mich in einer Club-Anlage an der Mittelmeerküste wieder. Genauer gesagt im klinisch-blank polierten Speisesaal. Der Geräuschpegel drückte auf Trommelfell und Stimmung. Pralle Bäuche mit knuspriger Sonnenbrand-Haut schoben sich durch die Gänge und am Buffet entlang. Die Gesichter sprachen alle die gleiche Sprache, und kaum einer lachte. Während sich die Eltern entnervt von der unerschöpflichen Energie ihrer Sprösslinge mentale Ohropax in die Gehörgänge schoben und sich krampfhaft mit dem Ausblick auf das näher rückende Buffet zu beruhigen versuchten, sprangen die Sprösslinge, genervt von der unerschöpflichen Trägheit ihrer Erzeuger um sie herum und bettelten pausenlos um Antworten auf ihre vielen Fragen und ein bisschen Abwechslung vom immer wiederkehrenden Club-Alltag. Die einzig lachenden Gesichter fanden sich bei den Kellnern, wobei ich mir nicht sicher war, ob sie vor Erleichterung lachten, weil sie am Ende ihrer Schicht das Monstrum von Anlage verlassen konnten, oder weil ein immerwährender Muskelkrampf keine andere Mimik mehr zuließ.

Etwas überfordert und kulturgeschockt beobachtete ich die Szenerie

Und blickte abwechselnd ungläubig um mich und in die entsetzten Augen meiner Begleitung. Wir entschlossen schließlich uns in den Kampf am Buffet zu werfen und uns mit bloßen Fäusten gegen die Gelnägel-bewaffnete Konkurrenz durchzuschlagen. Es erforderte ein wenig Geschick sich der eigenwilligen Flussrichtung um die Buffet-Inseln anzupassen und gleichzeitig mit voll-beladenem Teller umherrennenden und protestierenden Mini-Menschen auszuweichen. Wie so manch Radfahrer bevorzugten sie es nämlich in scharfen Kurven ungeahnt die Richtung zu wechseln, um schließlich im toten Winkel unter meinem Teller zu verschwinden. Wäre nicht meist noch ein Erwachsener auf Augenhöhe, einer Signal-Boje gleich, drangehangen, wäre der ein oder andere Nachwuchs unter die Räder, äh den Teller, geraten.

Nach dem der Kampf mehr oder minder befriedigend gewonnen war,

verließen wir vorzeitig die Fress-Abfertigung auf der Suche nach Entspannung am Pool. Die Liegenlandschaft war weitestgehend leer und auch im klaren Wasser des Pools fand sich zu dieser Stunde noch niemand. Erfreut über diesen Anblick marschierten wir auf die Liegen unseres Begehrens zu. Doch als wir näher kamen, konnten wir erkennen, dass alle Liegen von einem aggressiven Pilz befallen waren. Weich und flauschig zog er sich über die vielen leeren Liegereihen und streckte seine Frottee-Sporen provokant in die Höhe. Ein Warnsignal an alle, die es wagten den Besitz an diesen Liegen anzumelden. Mein Badehandtuch knurrte leise unter meinem Arm, vermochte es jedoch nicht die geschlossene Masse der Besetzer-Tücher anzugreifen. Wie hungrige Hyänen umkreisten wir die Badetuch-besetzten Liegen eine Weile, um nach dem schwächsten Glied Ausschau zu halten. Doch noch bevor wir uns ein Opfer auswählen konnten, kam schon Verstärkung aus dem Speisesaal. Vom Überfluss aufgeschwemmte Körper ließen sich auf die treuen Verteidiger ihrer frühmorgendlich besetzten Liege plumpsen und meldeten mit der völligen Aufgabe ihrer Körperspannung und dem langsamen Zerfließen der Konturen wortlos eine unbegrenzte Verweildauer an. Dieser Kampf war verloren und wir trollten uns. Der Strand sollte unser nächstes Ziel werden.

Gemeinsam mit anderen erfolglosen Liegestuhl-Jägern machten wir uns als Herde auf in neue Jagdgründe.

Zum Strand musste man mehr als nur 2x umfallen und den Weg säumten Fress-Stände und All-Inclusive-Bars, die die Schwächsten der Gruppe mit ihrem Duft köderten, wie fleischfressende Pflanzen trieb-gesteuerte Insekten. Wehrlos gaben sie sich den Verlockungen von Crêpes und Pommes hin. Nur die Stärksten hielten den Weg durch und unsere feinen Nasen verrieten uns weitere Futterquellen in Meeresnähe. Durch die harte Anreise erhofften wir uns einen Platz unter einem der Schirme zu ergattern, um der sengenden Sommer-Sonne der Mittelmeerregion zu entkommen. Und unsere Hoffnungen waren nicht umsonst. Schon von Weitem konnten wir unbesetzte Flecken in den Reihen erkennen. Auf dem Weg schnappten wir uns noch eine Waffel und ein Soft-Getränk. Kein Grund zur Eile, hier gab es noch freie Auswahl. Mit neuen Energielieferanten für einen energielosen Tag in der Hand, ließen wir uns schließlich auf die Liegen unseres Begehrens fallen. Erschöpft griff ich zu meinem Getränk und schloss meine Lippen um den ausgefransten Plastik-Rand meines Trinkbechers. Das kühle Nass floss meine Kehle herunter. Einen Bissen in meine Waffel mit viel Schoko-Sauce. Doch der Geschmack, der blieb, der war schal. Willkommen im Pauschalurlaub.

Nachwort:

Entgegen der hier geschilderten Situation kann ich durchaus auch Gutes dem Pauschal- bzw. Club-Urlaub abgewinnen. Meine Schilderung ist aus literarischen Gründen überspitzt und betrachtet nur einen Ausschnitt des Club-Urlaubs. Des Weiteren bin ich natürlich auch dankbar überhaupt das Privileg zu haben, diese Erfahrungen machen zu können. Diese kleine Kolumne soll mehr zur allgemeinen Erheiterung dienen, als ernsthafte Kritik üben.

Und wen der Text an den letzten Urlaub erinnert hat, der möge doch einen lieben Kommentar hinterlassen oder diese Kolumne auf Facebook teilen ????