Die Straßen sind nur schlecht beleuchtet. Im Dunkeln erkenne ich umrissartig die einst prächtigen Kolonialbauten um mich herum. Durch ihre Gerippe scheint nun das Licht der Straßenlaternen. Das Taxi hält vor einer vergitterten Tür. So wie es alle Türen hier sind. Mein Hostel liegt in Havana Central und erst am nächsten Morgen, als ich an die offene Balkontüre im sechsten Stock des Gebäudes trete, begreife ich, dass ich wirklich mitten in Havanna bin. In Kubas Herz, den Ort, den ich schon so lange mal entdecken wollte. Noch bevor alle alten Autos verkauft sind und die Zeit auch die Kubaner einholt.

Blick über Havanna, Kuba

Von den alten Autos gibt es hier mehr als genug.

Sie sind nicht nur dekorativ an den Fotospots den Touristen zu Schau gestellt, sondern sie sind Teil des täglichen Lebens. Als Taxis, Transporter oder Privatwagen ächzen sie die Straßen entlang und hinterlassen dabei sowohl eine grau-braune Wolke, als auch den Geruch, den ich mit Kuba als aller erstes aufgenommen habe: Abgase.

Mein Verständnis von Kommunismus und der aktuellen Regierungssituation in Kuba ist zu beschränkt, als dass ich es wagen würde voreilige Schlüsse über eine Staatsform zu ziehen. Und in Ermangelung eines verfügbaren WLANs kann ich meinem Wissensdurst auch nicht nachgehen. Die kleinen Etecsa-Stuben – der staatlichen Internetanbieter – sind heiß umkämpft und wer eine Wifi-Karte wünscht, um wenigstens ein paar Minuten am Tag im nächstgelegenen Park online gehen zu können, der muss das tun, was die Kubaner am liebsten – oder verdammt sind – zu tun:

Altes Auto in Havanna, Kuba

Schlange stehen.

Denn in der Schlange steht man hier bei jeder Gelegenheit. Ihr halbes Leben geschieht wohl während Kubaner Schlange stehen. Am Geldautomaten, weil nur einer funktioniert. Beim Liquor Store, um ein popeliges Wasser zu kaufen, weil aus mir unerklärlichen Gründen nur 5 Personen im Laden erlaubt sind. An der Bushaltestelle, weil die Intervalle zu lang sind und nicht jeder in den nächsten Bus passt. Wer in Kuba lebt, muss lernen zu warten. Wahrscheinlich warten sie bis heute auf das Einläuten des 21 Jahrhunderts. Irgendwo in den 50ern ist die Batterie der kubanischen Uhren stehen geblieben. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann stehen sie dort noch heute. Die rhythmischen Salsa-Klänge, die sich mit dem Straßenlärm mischen, beweisen jedenfalls, dass sie sicher noch nicht gestorben sind.

Ich streife durch die staubigen Straßen von Havanna, die bunten Häuser an meinen Seiten, ein ständiges Pfeifen verfolgt mich. Ich gewöhne mich bald an die immerwährenden Sprüche, die von der Seite auf mich einströmen. Entgegen meiner höflichen Art lerne ich hier sehr schnell Menschen einfach zu ignorieren. Ich verstehe immer besser, warum mir alle Frauen mit einer mürrischen Miene begegnen. Das Resting Bitchface ist ein bereits festgefressener Automatismus zur Selbstverteidigung. Einzig eine runzelige Oma lacht mich mit ihrem breiten Grinsen aus sicherer Entfernung von ihrem Balkon aus an.

Straßenleben in  Habana Central, Kuba

Nach einigen Tagen Havanna, gewöhnt sich mein System an den Flow der 2 Millionen Metropole.

Ich kenne die Zeiten und Spots für Wlan, ich bin in der Lage die Machos mit meiner kalter Schulter zu ignorieren und den Trubel der Einheimischen auf den Straßen von vollen Zügen zu genießen. Während mich das hochgepriesene Habana Vieja, die Altstadt Havannas, zutiefst enttäuscht hat, habe ich mich in das Straßenleben von Havanna Central verliebt. Hier ist man als Tourist noch eine Seltenheit, man fällt auf zwischen den Gemüseständen und den kleinen Läden. Es gibt keine Restaurants, die mit laminierten Karten einen versuchen in ihre Einrichtung zu wedeln. Die Männer haben das Wohnzimmer nach draußen verlegt und spielen eine Runde Karten am Tisch auf der Straße. Die Frauen machen sich gegenseitig im zum Schönheitssalon umgebauten Vorzimmer Haare und Nägel und die Stubentiger streifen hungrig um die nächstgelegene Metzgerei. Das Leben scheint hier zwar einfach, aber auch einfach in Ordnung.

Dorie in Havanna

Von Havanna nach Mantanza

Es wird Zeit für mich Havanna hinter mir zu lassen und Kuba weiter zu erkunden. In einem nicht all zu alten Lonely Planet Reiseführer entdecke ich, dass im Oktober das Rumba Festival im 2h entfernten Mantanza stattfindet. Der Mangel an Petroleum hat die Sprit- und damit die Transportpreise dermaßen in die Höhe gejagt, dass weitere Entfernungen ein kostenspieliges Vergnügen sind. Auch abenteuerlich abgelegene Ziele streiche ich lieber von meiner Liste, da Booking und Co. sich vehement verweigern in diesem Land zu funktionieren. Wer auf Spontanität oder amerikanische Unternehmen setzt, ist in Kuba definitiv an der falschen Adresse.

Bereits die Anreise nach Mantanza ist für Sponanitäts-Liebhaber ein wahres Spektakel, kann man doch nur dann in den Bus zusteigen, wenn niemand anderes mehr weiter weg fahren will. Ich wege meine knappe Zeit gegen das noch nicht knappe Geld ab und beschließe mich einem Taxi Collectivo anzuschließen. Nicht, dass hier keine Wartezeit einzurechnen wäre. Schließlich will der Fahrer das Maximum raus holen und so sitzen wir zu 3 am Boden vor den heiligen Hallen des Busbahnhofs und warten auf einen anderen ungeduldigen Reisenden, der in die gleiche Richtung will. Irgendwie hat man sich ja schon ans Warten gewöhnt. Irgendwie.

Das Verkehrsaufkommen ist mäßig, die Straße so ausgebaut, als hätte man mit mehr gerechnet.

Sie führt durch dünn besiedelte Gebiete und immer wieder tut sich der Blick ins saftig-grüne Hinterland auf. Sanft wellen sich die Hügel durch die Landschaft und geben mir einen kleinen Einblick davon, wie wunderschön Kuba doch noch sein muss. Doch ich finde mich damit ab, dass ich mich für dieses Mal auf den ausgetrampelten Pfaden bewegen werde.

Mantanza entpuppt sich als ein kleines Städtchen, deren meiste Einwohner wohl durch die nahegelegene Industrie ihr Einkommen erzielen. Erst auf dem Rückweg durch die kleine Stadt, wurde mir bewusst, dass die Schleierwolken, die sich dunkel über den Himmel zogen, vom unweit entfernten Kraftwerk stammen müssen. Der Stadtstrand liegt malerisch eingeschlossen zwischen 2 Schnellstraßen und auch das versprochene Rumba Festival ist in diesem Jahr anscheinend auf den August anstatt auf den Oktober gefallen. Etwas enttäuscht ziehen wir weiter und machen, das, wovor ich mich im Normalfall sträube: Ich setze mich ins Touristen-Nest.

­­Von Mantanza nach Varadero

Varadero ist bekannt als das Cancun Kubas und ich befürchte Schreckliches. Mit unseren Rucksäcken am Buckel quetschen wir uns zwischen die Einheimischen in den kleinen Bus, der eher an einen Viehtransport erinnert. Ich bin mir sicher, dass ein Hühnchen ein ähnlich beklemmendes Gefühl hat, wenn es durch die Gegend chauffiert wird. Doch der Preis ist mit 50ct einfach unschlagbar. Kuscheln mit den Einheimischen inklusive. Die mir fast liebste Art zu Reisen.

Auf der Halbinsel der Touristen ist es erstaunlich ruhig. Die sengende Sonne hat das Straßenleben lahmgelegt. Und die steigende Aufklärung die Kirche. Zumindest ist diese verschlossen und steht malerisch und einsam am Straßenrand. Eingeschlossen zwischen Wasser, hier ganz am Rand des berühmten Touristen-Viertels, ist es erstaunlich untouristisch. Der Händler preist wie auch schon in Havanna seine Ananas an, mit dem extra Service auch Pina Colada daraus zu machen. Die Postkarten im nahegelegenen Souvenir-Shop haben ihre Farbe verloren, was an ihrem Preis nichts geändert hat. Auch der Strand liegt malerisch und leer vor uns, das türkisblaue Wasser schwabbt langsam über den Sand. Von weit weg trägt der Wind die Salsa-Klänge zu uns herüber. Erst weit hinten am Horizont können wir die Hotelburgen von Varadero erkennen. Doch sie scheinen in weiter Ferne.

Unser Herzschlag verlangsamt sich und die täglichen Aktivitäten schwanken zwischen Wlan-Hotspot und Strandaufenthalt. Der Blick aufs endlos blaue Wasser. Der weiße Strand. Wie gut es uns doch geht…

Würde ich nochmal nach Kuba fahren?

Wahrscheinlich ja. Aber Kuba und ich brauchen ein bisschen Abstand voneinander. Es war eine schnelle und überstürzte Liebe, die genauso schnell ging, wie sie aufgeflammt ist. Zu schnell haben uns die Probleme des Alltags eingeholt und die junge Lust im Keim erstickt.

Was ich damit sagen will? Kuba ist ein wunderschöner Ort, der noch so viel mehr zu bieten hat, als ich das in einer Woche entdecken konnte. Doch wer hierher kommt, der sollte darauf vorbereitet sein, seine Pläne vorher schmieden und seine Informationen vorab einholen. Mit ein bisschen mehr Weitsicht und Planung kann mit Kuba eine tolle Romanze entstehen. Aber ohne, kommt man sich mit diesem wunderschönen Land eher in die Haare.

Mach es gut Kuba, bis irgendwann.