Die weite der Landschaft zu meinen Füßen. Ein selbstsicheres Lächeln auf den Lippen. Im Hintergrund die leise Melodie eines inspirierenden Songs. Aus dem Off tritt eine Gestalt, legt sanft die Hände um meine Taille und bewundert eng an mich geschmiegt mit mir die Landschaft.
NICHT.

So oder so ähnlich habe ich mir meinen Traum von meiner Weltreise vorgestellt.

Doch wenn Träume wahr werden, platzen sie auch oft.

Während in der verkitschten Fantasie viele Dinge rosarot und glatt geschliffen sind, sieht die Realität brutal anders aus.

Statt auf eine weite Landschaft runter zu blicken, stehe ich an der Mauer eines Forts mitten in Indien und bewundere den Nebel, den der Smog über die Landschaft gelegt hat. Die ersten Hügel sind noch schemenhaft zu erkennen, dahinter verschwindet alles im einheitlichen Grau. Aus dem Off hinter mir tritt auch kein unbekannter Schöner, der sich liebevoll an mich schmiegt. Stattdessen steht im gebührenden Abstand ein Bekannter neben mir, wohl darauf bedacht, dass keine Missverständnisse aufkommen. Und die einzige Melodie im Hintergrund ist das niemals abbrechende Dröhnen hunderter Motorrad-Hupen.

Während ich hier so stehe in meinem wahrgewordenen Traum, realisiere ich, dass das aktive Ausleben eines Traums oftmals auch dessen Zauber nimmt.

Denn die Magie eines Moments, den man schon so lange herbeisehnt, ist in den seltensten Fällen wirklich so bunt und intensiv, wie es im Kopf erscheint. Wer kennt sie nicht, die Gespräche, die man stundenlang im Kopf vorbereitet und richtig gut austüftelt. Und wenn es soweit ist, bekommt man kaum ein Wort raus und lässt sich mit ein paar Okays und Hmms abspeisen. Oftmals hat man dann zwar trotzdem sein Ziel erreicht, aber ohne Glanz und Gloria, wie man es sich davor ausgemalt hat.

So ist es auch mit den Träumen, die man sich erfüllt und auf die man schon so lange hingeträumt – oder gearbeitet – hat. Plötzlich sind sie da und statt dem ersehnten Feuerwerk, findet man nur ein einsames Teelicht vor. Wer seine Träume erfüllt, muss sich darüber im Klaren sein, dass sie nicht so schillernd sind, wie im Kopf.

Soll man deswegen nicht mehr weiter seine Träume leben?

Natürlich soll man auch weiter nach Träumen und Zielen streben und sie erreichen. Zum einen, weil die Tatsache der Wunscherfüllung schon glücklich macht. Zum anderen – und das ist wohl der größte Vorteil – weil es einfach real ist. Reale Erfahrungen und reale Erinnerungen zählen so viel mehr als eine blasse Fantasie, die man vielleicht sogar niemals laut ausspricht. Show, don’t tell – haben wir schon in der Uni gelernt.

Und wer weiß, was das funzelige Teelicht alles neu beleuchtet, was das Feuerwerk vielleicht überstrahlt hätte? Oder welches Feuerwerk man auf dem Weg noch entdeckt?! Geht raus in diese Welt und arbeitet daran, was euch glücklich macht! Lasst euch nicht aufhalten von der Angst, dass ihr etwas nicht erreicht, oder es anders wird. Denn was ihr am Ende wirklich erlebt oder erreicht, entzieht sich in Wahrheit dann doch eurer Vorstellungskraft. Und kann etwas bunter sein, als das Unvorstellbare?

Vielleicht bin ich (noch) nicht am Punkt, wo ich mit meinem unbekannten Liebsten in die weite Landschaft blicke. Dafür tippe ich diese Zeilen auf einer Dachterrasse mitten in Indien, See und Stadt zu meinen nackten Füßen und lerne jeden Tag aufs Neue etwas über mich selbst und darüber mit mir zu leben. Wenn das nicht ein wahrgewordener Traum ist…?!

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Nachwort:

Nicht, dass ich diesen Moment, dieses Leben und diese Möglichkeit nicht dennoch als schön empfinden würde. Und – oh mein Gott – bin ich dankbar mir diesen Traum erfüllen zu können. Auch wenn es nicht so scheint, ich weiß das sehr zu schätzen und ich genieße jeden Moment davon.