Szene: Zugfahrt nach Wien.

2 Reihen vor mir sitzt ein alter Ur-Bayer. Das hört man nicht nur, sondern so bezeichnet er sich selbst. Besagter Alt-Bayer lies sich lautstark bei der Schaffnerin über seine fürchterliche Bahnfahrt aus.

Ich wollte das mit dem Bahn fahren ja mal probieren, aber ich muss sagen, so geht das nicht. Ich hab einen Sitzplatz reserviert, aber das ganze Abteil ist voll mit „denen“. Da habe ich mich weggesetzt. Muss das sein? Schauen Sie mal selbst. Und dreckig sind die!

Die Schaffnerin nickte zustimmend und überzeugte sich kurzerhand selbst von der Lage. Als sie zurückkam, bestätigte sie ihm: „Ja, da ham’s recht.“

Fürchterlich“ schimpfte der alte Mann „die sollte man mal alle bei 140km/h aussteigen lassen“.

Oder noch schneller!“, lachte die Schaffnerin.

Aber man darf ja nichts sagen, da wird man ja sofort in die rechte Ecke gestellt. Oder sogar als Nazi beschimpft. Dabei bin ich das sicher nicht. Aber man darf ja nix mehr sagen heutzutage!“.

Es fiel noch das Wort „deren Häuptling“, aber den genauen Zusammenhang hörte ich nicht mehr, denn mein Sitznachbar fing an sich mit der Dame auf dem Sitzplatz über den Gang zu unterhalten: „Ja, Wien war mal schön, aber ist es nicht mehr.“ Ein Mann mit Turban lief mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm den Gang zur Toilette entlang. Mein Nachbar fuhr fort: „Da sieht man nur noch die da!“.

Kaum hatte ich mich versehen, diskutierte die ganze Runde über Ausländer und „wie gut es doch ist, dass der Seehofer da endlich mal was tut“. In trauter Einigkeit stimmte man sich gegenseitig zu. Lediglich der junge Mann schräg gegenüber von mir und ich mussten den Kotzreiz unterdrücken. Mit Brachialgewalt bin ich von meiner linksliberalen Blase in ein Nest ausländerfeindlich gesinnter Menschen gekracht. Dass Rassismus an der Tagesordnung ist, ist lange kein Geheimnis mehr, spätestens seitdem gewisse Parteien einen enormen Zuwachs erhalten haben. Aber dieser Crash mit der Realität schmerzte mich sehr.

Warum?

Das ist die einzige Frage, die ich im Kopf habe. Warum hasst ihr andere Menschen so sehr? Warum denkt ihr, dass eure Probleme vom Tisch wären, wenn es keine Ausländer bei uns gäbe? Warum hinterfragt ihr nicht mal die „Fakten“ und setzt euch kritisch mit dem Thema auseinander, anstatt ungefiltert alles nachzuäffen? Warum glaubt ihr tatsächlich, dass ihr keine Rassisten seid, wenn ihr die ganze Bande bei 140km/h aussteigen lassen wollt? Warum ist euch eure unendliche Dummheit eigentlich nicht peinlich?

Wir haben ganz andere Probleme. Bienensterben, Umweltschutz und Altersarmut (und nein ihr Schlauköpfe, die kommt nicht daher, dass die Ausländer so viel Geld geschenkt bekommen). Fangen wir doch mal bei den Themen an und machen weiter mit dieser unendlich langen Liste an Dingen, die im Argen liegen und REIN GAR NICHTS mit den Ausländern und Flüchtlingen zu tun haben. Das sind die Themen, die euch interessieren sollten. Oder glaubt ihr, dass die Bienen plötzlich gegen die ganzen Pestizide resistent werden, wenn der syrische Nachbar wieder zurückgeschickt wird?

Was ist aus der Nächstenliebe geworden? Warum können wir uns nicht einfach alle lieb haben und gemeinsam Themen anpacken, die uns alle was angehen?

Die Theorie der Schweigespirale

In meinem Studium haben wir einmal die Theorie der Schweigespirale behandelt. Damals habe ich mich gewundert, wozu ich das jemals brauche. Heute sehe ich, dass es ganz viel von dem erklärt, was gerade abgeht.

Die Theorie der Schweigespirale besagt, dass es nur eine kleine Gruppe an Menschen braucht, die lautstark ihre Meinung äußern, um den Rest der Menschen verstummen zu lassen. Indem diese kleine Gruppe nämlich ganz laut ist, erwecken sie den Eindruck als wären sie ganz viele. Und dadurch denken die anderen Menschen, dass sie mit ihrer Meinung alleine wären, auch wenn sie eigentlich viel mehr sind. Und da der Mensch ein Herdentier ist (okay, das ist jetzt meine Anmerkung), verstummt der große Rest der Gesellschaft – man möchte ja nicht anecken. Der Effekt ist, dass die kleine Gruppe an Menschen immer lauter wird, denn sie fühlen sich ja im Recht, und die anderen immer leiser. Der ein oder andere wechselt dann auch zu dieser kleinen Gruppe Menschen, denn er denkt „Wenn das so viele sind, dann muss ja irgendwas dran sein, an dem was sie sagen“.

Und genau das passiert gerade. Eine kleine Gruppe an Menschen ist laut und tut ihre Dummheit kund, wann immer sie können. Ich bin überzeugt, dass der Großteil meiner Mitmenschen nichts gegen Ausländer hat. Viele hätten wahrscheinlich nicht mal was von der sogenannten „Flüchtlingskrise“ mitbekommen – nicht in Deutschland.

Gute Nachrichten kauft keiner –  auch die Medien gehören an den Pranger

Keine Nachrichten sind gute Nachrichten, sagt man. Doch das zählt ja leider nicht für die Medienhäuser, denn die müssen tagtäglich Sendezeiten, Zeitungblätter, Twitteraccounts und Internetseiten mit massenhaft neuen Informationen füllen und für gute Nachrichten gibt niemand Geld aus. „Nachrichten“ sind bei uns selten mit schönen Meldungen verknüpft. Außer kurz vor den Wahlen, da wird dann von der geringen Arbeitslosigkeit berichtet (und in der Informationssendung danach über das Faken von Statistiken). Auch die Flüchtlingskrise wurde von den Medien zu einem Ausmaß aufgebauscht, fernab der Realität ist. Ein Beispiel:

Schlagzeile (nur ungefähr, denn ich habe es nicht mehr exakt im Kopf): „Noch mehr Flüchtlinge in Wien angekommen.“ Darunter ein Bild mit einem überfüllten Bahnhof, hunderte von Menschen, Rettungskräfte und Polizei. Der Eindruck war klar: jeden Tag ist der Wiener Hauptbahnhof randvoll mit Flüchtlingen, die alle Hunger haben und versorgt werden sollen. Alles platzt aus allen Nähten. Das müssen ja tausende sein. ALLEIN IN WIEN! JEDEN TAG!

Die Realität sieht anders aus. Ein Freund wollte alte Klamotten für die Flüchtlinge spenden. Bepackt mit seinen Sachen fuhr er zum Wiener Hauptbahnhof, wo eine Sammelstelle eingerichtet war. Er plante sich extra viel Zeit ein, denn er erwartete Menschenmassen und Chaos. Als er am Bahnhof ankam, war davon weit und breit nichts zu sehen. Bei der Sammelstation hatten die Helfer es nicht eilig und baten ihn, die Sachen doch bitte selbst in die entsprechenden Container zu sortieren. Diese waren auch reichlich voll, denn so viel wurde gar nicht gebraucht. Der Freund fragte verdutzt, wo denn die ganzen Flüchtlinge seien. „Aber die kommen doch nicht jeden Tag hier an, sondern nur ab und zu mal ein Zug“, wurde ihm erklärt. Aha. Wie? Es kommen gar nicht täglich hunderte an Flüchtlingen in Wien an? Aber die Zeitung hat doch…. Dieses Foto…. Aber….

Ja, einfach mal die Klappe halten.

Lasst uns die Schweigespirale brechen!

Mein Papa meinte zu dieser Thematik: Es wird Zeit, dass wir auch mal laut werden. Und eigentlich hat er recht. Flüchtlinge waren bisher nie ein (negatives) Thema für mich. #refugeeswelcome Aus diesem Grund habe ich nie meine Meinung darüber lautstark kundgetan. Aber Schweigen kann auch als Zustimmung verstanden werden und ich bin sowas von nicht einverstanden mit der Meinung dieser lautstarken Halbaffen (Ironie, wenn man mal selbst so bezeichnet wird, nicht wahr? ? ). Deswegen ist dieser Beitrag hier mal ein Schritt meine Meinung zu diesem Thema zu sagen. Das Schweigen zu brechen. Ich bin NICHT eurer Meinung.

Tut es mir gleich und schreibt auch darüber, sprecht auf den Sozialen Netzwerken das Thema an oder teilt einfach diesen Beitrag. #speakup!