Ich sitze in der Küche. Vor mir brodelt der Wasserkocher. Mit meiner Zahnbürste im Mund schaue ich durch die schmutzigen Scheiben in die idyllische Landschaft. Es riecht bereits verführerisch nach Kaffee. Das Wasser schwabbt bedenklich in der Kurve. Moment, in der was…?

So oder so ähnlich sieht ein typischer Morgen während unseres Roadtrips aus.

Die Klamottenberge, mit denen wir den Fußraum gegen die Kälte ausgestopft haben, werden fein säuberlich eingesammelt, die Schlafleggings gegen die Tages-Leggings getauscht und die geklauten Decken gefaltet. Aus dem Kofferraum holen wir unseren Wasserkocher fürs Auto und wägen ab, ob die Batterie noch für den Kaffee reicht oder ob wir schon zum nächsten Stopp aufbrechen müssen. Bis auf ein einziges Mal haben wir immer richtig geschätzt. Dieses eine Mal half uns ein Alt-Rocker aus der Patsche. Glück gehabt.

Für die morgendliche Dusche zücke ich meine Baby-Wipes. Wenn man damit sparsam umgeht, kann man auch gleich noch die neusten Flecken aus dem T-Shirt rubbeln. Wie praktisch! Wir öffnen die Türen, um synchron unsere Zahnpasta in den staubigen Untergrund zu spucken. Ein Akt, der vor allem beim starken Wind, der teilweise über die neuseeländischen Landschaften braust, einiges an mathematischer Vorberechnung braucht. Es sei denn, man hat Lust darauf die Innen-Tür mit Baby-Wipes zu schrubben. Oder die Haare zu waschen.

Wir füllen unsere leicht aufgeweichten Coffee-2-Go Becher mit frischem Instantkaffee und mischen unsere Haferflocken unter das Joghurt. Tag 4 ohne Kühlung. Es hat noch keine Beine bekommen. „Bestimmt haben sich auch die gesunden Bakterien jetzt schön vermehrt“, denke ich und schaufele genüsslich mein Frühstück in mich rein, während mein Blick durch den Mückenfriedhof an der Windschutzscheibe hinaus in die wunderschöne Landschaft geht.

Das Leben im Auto ist nicht immer unbedingt ein Zuckerschlecken.

Für diesen Fall habe ich einen extra großen Vorrat an Snickers in meiner Tür. Direkt neben meinem Besteck. Und meiner Schlafmaske. So mobil man mit den 4 Rädern unterm Hintern auch sein mag, so statisch ist eben dieser. Ich rutsche stündlich von der linken auf die rechte Backe und spüre richtig, wie er langsam in die Breite geht. Instantnudeln und Bewegungsarmut sei Dank. Da helfen die 2 Stunden Wandern am Tag auch nicht mehr viel. Vor allem, wenn man sich dann erstmal mit einem Snickers belohnt. Aber man muss ja irgendwie über die Runden kommen. Oder die Runden bekommen. Wie auch immer.

Unsere 4 m² Lebensraum sind ohne Frage beengt. Ein komisches Gefühl, wenn sich vor einem die weite Landschaft auftut und man ein unendliches Gefühl der Freiheit besitzt. Das Leben im Auto ist paradox. Es ist wild. Und es macht jede Menge Spaß. Steuermann und Navigator sind ein eingespieltes Team. Rollen klar verteilt. Wind Nord-Nord-Ost. Stimmung harmonisch. Sollte mal ein Sturm aufziehen, wird 3 Songs lang eisern geschwiegen, bis die Böen vorüber sind und mit einem blöden Spruch der nächste Sonnenschein sich ankündigt. Die Wellenlänge muss stimmen, sonst gibt es schnell einen Lagerkoller an Board.

Die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen.

Wir checken in der App unsere Entfernung zum nächsten Campingplatz. Noch eine Stunde Fahrt. Die perfekte Zeit, um Wasser für die Suppe zu kochen. Der 12 Volt-Wasserkocher am Zigarettenanzünder benötigt etwas länger als das Gerät daheim. Ich bin für den Luxus von schnell kochendem Wasser seitdem dankbar. Wir kommen pünktlich zum sprudelnden Wasser an unserem Campingplatz an. Und mit uns noch viele andere. Und vor uns noch mehr. Platz ist begrenzt, wir müssen von Dannen ziehen. Der nächste kostenlose Campingplatz ist zu weit entfernt. Während wir in der Pannenbucht unsere Instantnudeln mit Tunfisch aus der Dose löffeln, wird ein neuer Schlachtplan gemacht. Auf Geschäftsschluss warten, auf dem Parkplatz der nächstgelegenen Touristenattraktion rollen und vor dem ersten Mitarbeiter wieder aufstehen. Der Plan gefällt uns. Und so sitzen wir an einer einsamen Landstraße in unserem rollenden Untersatz und schauen der Sonne dabei zu, wie sie den Himmel rot färbt, während wir das übriggebliebene Studentenfutter vernichten. Irgendwie muss man ja über die Runden… ach das hatten wir ja schon.

Die Augen der Wildtiere leuchten im Scheinwerferlicht.

Unsere Nasen gegen die Windschutzscheibe gepresst, geht es schließlich bei vollkommener Dunkelheit im Schneckentempo die Landstraße zu unserem angestrebten Nachtquartier entlang. Das ein oder andere todeslustige Wallaby zeigt uns im Zick-Zack-Kurs den Weg. Auch das Possum hat es nicht eilig. Kein Wunder, dass man sie so zahlreich verendet am Straßenrand sieht. Neuseeländer bremsen nicht für Säugetiere. Wir schon. Den Schaden wollen wir nicht dem Autovermieter erklären müssen.

Wir erreichen unseren Schlafplatz nach einer anstrengenden Fahrt. Der Abwasch ist bereits mit Desinfektions-Tüchern gemacht. Ein letztes Mal in die Hocke hinters Auto gehen, bevor die Tages-Leggings wieder gegen die Schlaf-Leggings getauscht wird und wir uns mit 4 Pullis gegen die nächtliche Kälte wappnen. Wir klappen unsere Sitze nach hinten, drehen uns in Fötus Stellung und hoffen, dass wir morgen früh nicht wieder einen Strafzettel an der Windschutzscheibe hängen haben. Da können wir uns auch gleich ein Hotel nehmen. Dann aber mit schlechterer morgendlicher Aussicht. Ich freue mich auf den nächsten Tag. Das Leben im Auto ist einfach. Aber so ein Luxus.