Kolumne des Monats Oktober: Lieben und Leben lassen
Langsam rinnt die Plörre, die sich Kaffee nennt, meine Kehle herunter. Um mich herum das einschläfernde Rauschen der Triebwerke. Ich fröstel leicht, hier auf dem Flug von New York nach San Francisco. Wie bin ich hier nur gelandet? Ich stehe am Anfang einer großen Reise. Nicht nur um die Welt, sondern auch zu mir selbst. Zumindest glaube ich das. Oder ich hoffe es. Aber was glaube ich eigentlich zu finden? Ein erleuchtetes Ich? Die große Liebe? Oder ein eindeutiges und erfüllendes Ziel im Leben? Und wieso suche ich mich überhaupt?
Am Anfang dieses Fragenkataloges steht meine Beziehung.
Oder besser gesagt ihr Ende. Was für mich eher überraschend kam, wenngleich nicht ungelegen. Dabei gab es keinerlei Unstimmigkeiten. Keine über die man nicht Hinwegsehen hätte können. Größtenteils herrschte tiefe Harmonie. Und unter Freunden waren wir als das Vorzeige-Pärchen bekannt. Man liebte uns, weil man sah, dass Liebe funktionieren kann – auch schon in unserem jungen Alter. Und doch hat all diese Harmonie und dieser Gleichklang nicht gereicht. Nicht für uns. Warum? Vielleicht liegt es daran, dass wir zu jung zusammengekommen sind. Visionen und Wege haben sich in verschiedene Richtungen entwickelt. Wünsche und Vorstellungen an die Zukunft unterschiedliche Gewichtungen bekommen. Sodass am Ende zwar jede Menge Vertrauen und Harmonie blieb, aber nicht mehr der Wille Kompromisse einzugehen. Rücksicht zu nehmen und eventuell mal zu verzichten. Und obwohl ich behaupten kann, dass ich niemals gelogen habe, wenn ich gesagt habe „Ich liebe dich“, so ist es nicht mehr die Liebe, die es einmal war oder in einer Partnerschaft bestehen sollte. So kamen wir ans Ende. Und damit an einen Anfang.
Doch mit der neu gewonnen Freiheit kommen viele Fragen auf. Habe ich mich jahrelang in festen Händen gewusst und immer auch über meinen Beziehungsstatus definiert, so ist plötzlich alles, an das ich 8 Jahre lang geglaubt hatte, dahin. In Wohlgefallen aufgelöst. Und in dieser Konsequenz ein Reboot meiner ganzen Persönlichkeitsdefinition angesagt. Oder?
Wie sehr bestimmt mein Beziehungsstatus mein Selbst und wie sehr sollte er das?
Ich bin unsicher. Auch wenn ich nach außen hin nicht so wirke. Es ist der berühmte Hund der bellt, weil er keine Zähne hat. Es ist mir ein leichtes mich in Selbstzweifel und Minderwertigkeitskomplexen aufzulösen, mich einer Melancholie über meine Unfähigkeit und mein Schicksal niemals meine Ziele zu erreichen, hinzugeben. Ich zweifle und ich hadere mit mir. Mein Bestes ist nie gut genug. Meine Leistung nie hoch genug und meine Ziele immer in weiter Ferne. Ich vergleiche mich mit Ausnahmetalenten und Glücksfällen und bedauere, dass ich selbst keiner bin. Und während ich nie aufgebe groß zu träumen, so habe ich doch immer diese Angst im Nacken, dass ich nie diese Träume erreiche. Nur meiner Fähigkeit eine erfolgreiche und erfüllende Beziehung zu führen, der war ich mir immer sicher.
Liebevoller, intelligenter Partner gefunden. Check.
Harmonie, gemeinsame Interessen und nie enden wollender Gesprächsstoff. Check. Gemeinsame Wohnung. Check. Der Rest läuft dann auf Autopilot. Ein paar Jahre zusammen wohnen, am Ende des Studiums verloben, nochmal in eine andere Stadt ziehen oder etwas anderes „wildes“ machen, heiraten, sesshaft werden, und wenn sie nicht gestorben sind… Check. Zurück zu meinen eigentlichen Problemen.
Aber vielleicht war genau dieser Autopilot-Gedanke der Ursprung unseres Scheiterns. Oder genau dieses Festhalten, dieses Definieren über die Beziehung. Oder ganz anders herum: Vielleicht sind meine Zweifel darin begründet mir niemals genug Zeit für mich und nur für mich genommen zu haben, für meine eigene Persönlichkeitsentwicklung. Für MEINE Träume. Ohne Kompromisse. Ganz egoistisch. Vielleicht aber hat auch all das mit nichts zu tun. Vielleicht ist alles wie es ist und ich bin wie ich bin und die ewige Suche nach einem geerdetem ich, einer Definition meiner Selbst ist komplett hinfällig und schwachsinnig. Denn schließlich ist das Leben nicht statisch, sondern eine Summe der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse. Keiner ist morgen mehr der, der er gestern war, weil heute passiert. Aber das versuche ich jetzt herauszufinden.
Und so sitze ich hier, tausende Meter über der Erde und gehe die ersten Schritte in einem meiner größten Träume.
Ein Traum, von dem ich nicht gedacht hätte, dass er in näherer Zukunft wahr wird. Und den ich mit jeder Faser meines Körpers spüren und erleben will. Auch jetzt zerfressen mich die Selbstzweifel. Die Orientierungslosigkeit in meinem Leben bereitet mir nach wie vor Kopfschmerzen. Und noch nie konnte ich so schlecht auf die Frage antworten: Wer bin ich? Aber ich habe den ersten entscheidenden Schritt getan. Ich habe mir diese Fragen gestellt. Und jetzt bin ich auf der Suche nach den Antworten.
PS. Beim abermaligen Lesen dieser Zeilen habe ich mich dabei ertappt, wie ich es schon wieder tue.
Noch während ich am Beginn meiner Weltreise stehe, sogar wörtlich aufschreibe, dass es einer meiner größten Träume ist, währenddessen schreibe ich gleichzeitig nieder, wie wenig ich an mich selbst glaube. Das nächste Ziel ist schon wieder in (un-)erreichbarer Nähe und ich vergesse für das aktuelle Ziel dankbar zu sein. Ganz nach dem Motto: Been there, done that. Check. Vielleicht ist diese Erkenntnis schon die erste Antwort auf meine Fragen. Oder zumindest ein Hinweis.
24 Comments
5 Dinge, die ich vor meiner Selbstfindungsreise hätte wissen wollen -
4 Jahren ago[…] und bin auf Weltreise gegangen. Nach einem turbulenten Jahr war es mein Ziel mich auf dieser Reise wieder selbst zu finden. Und so ging ich los auf der Suche nach mir selbst. Doch das war nicht ohne Hindernisse möglich. […]
Selbstliebe lernen - The Dorie - Travel Fashion Blog
4 Jahren ago[…] erfüllt gefühlt, obwohl ich teilweise wirklich viel Spaß dabei hatte. Und genauso in meiner Beziehung hat mir immer etwas gefehlt und ich war oft nicht wirklich zufrieden, ohne genau sagen zu können, […]
Johnny
5 Jahren agoAlso ich bin hier nur gelandet wegen facebook und „Langsam rinnt die Plörre, die sich Kaffee nennt, meine Kehle herunter.“
Du bist das Mädchen, dass sich über das Älterwerden Gedanken macht. Gefällt mir, wie du schreibst, persöhnlich und offen, so liest es sich; dazu gehört Mut. Weitermachen.
Viel Spass auf deiner Reise!
Gruß
Dorie
5 Jahren agoJa, das Mädel bin ich, haha.
Danke für deinen wirklich lieben und ehrlichen Kommentar, das freut mich ungemein!
Liebe Grüße aus Indien
Rena
5 Jahren agoIch wünsche Dir eine zauberhaft schöne, neue Woche!
xx Rena
http://www.dressedwithsoul.com
Dorie
5 Jahren agoDanke dir 🙂
Daria
5 Jahren agoIch bin schwer davon überzeugt, dass man nur dann mit jemandem glücklich werden kann, wenn man mit sich selbst glücklich ist. Deswegen sollte man zuerst herausfinden, was man will und wer man eigentlich ist.
Gruß,
Daria
https://www.dbkstylez.com
Dorie
5 Jahren agoDaria, dem schließe ich mich an, wobei das ja auch meist kein statischer Zustand ist.
Aber ich arbeite jetzt auf jeden Fall an meinem persönlichen Glück!
Liebe Grüße
Luisa
5 Jahren agoEs ist besonders wichtig, dass man sich dann erstmal wieder selber findet, wenn man so lange in einer Beziehung war und dann findet sich alles von selbst.
Liebe Grüße
Luisa von https://www.allaboutluisa.com/
Dorie
5 Jahren agoDanke liebe Luisa, da hast du absolut Recht!
Anna
5 Jahren agoHey Dorie,
was ein wundervoller, ehrlicher Beitrag! Ich bin schon so gespannt deine Weltreise zu verfolgen, mich erinnert das ja ein bisschen an Eat,Pray,Love. Ob du wirklich zu dir selbst finden wirst, weiß ich nicht, denn ich glaube wir verändern uns ständig und sind immer auf der Suche nach uns selbst. Aber ich bin mir sicher, dass du ganz viel über dich lernen wirst, dich selber besser verstehen lernst und mehr mir dir selbst im Einklang sein wirst. Genieß deine Reise – die durch die Welt und die zu dir 🙂
xx anna
Dorie
5 Jahren agoDanke dir für deinen super lieben Kommentar. Ja, ich habe tatsächlich noch vor meiner Reise noch Eat, Pray, Love geschaut, weil ich wusste, dass es ca. auch darum geht hahaha.
Ich bin gespannt, wo die Reise hin führt.
Liebe Grüße
Dorie von http://www.thedorie.com
Rena
5 Jahren agoLiebe Dorie,
bitte glaube an Dich, Du bist wundervoll und einzigartig, so wie Du bist! Alleine dieser berührende und ehrliche Beitrag ist Beweis genug <3
Alles Liebe von Rena
http://www.dressedwithsoul.com
Dorie
5 Jahren agoDanke Rena, das ist so lieb von dir!
Ganz liebe Grüße
Laura
5 Jahren agoLiebe Dorie,
sau schön geschrieben, wie immer. Schön, dass du das mit uns allen teilst! Genieß deine Reise, denn genau in diesem Moment bist du eine dieser großen Ausnahmen und Glücksfälle!
Dorie
5 Jahren agoOoooh, danke dir vielmals <3
Milli
5 Jahren agoDein Beitrag ist echt toll und ich glaube da hast du dir mal alles ordentlich von der Seele geschrieben 😉 richtig so! So sind die ersten Sachen aus dem Kopf, die dich vielleicht daran hindern deine Reise zu genießen und den Kopf dabei ein Stück weit auszuschalten. Ich denke am Ende kommt es darauf an was du an Erfahrungen während deiner Reise machst. Getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel 😉
Liebe Grüße, Milli
(https://www.millilovesfashion.de)
Dorie
5 Jahren agoDanke liebe Milli! Ja, da hast du Recht. Manchmal vergisst man nur, dass der Weg das Ziel ist, weil man zu eifrig dem Ziel hinterher jagt.
Liebe Grüße aus Indien
Tom
5 Jahren agoHallo liebe Dorie,
chapeau, der Beitrag ist super. Nur woher die Selbstzweifel, woran willst Du Dich sonst orientieren wenn nicht an „Glücksfällen“ und Ausnahmetalenten, am Mittelmaß? Du wirst Dich ohnehin immer wieder neu „erfinden“ müssen, das Leben ist Veränderung und immer in Bewegung. Wie Du selber richtig sagst, Du wirst morgen nicht die sein die Du gestern warst. Du bist auf einem guten Weg, viel Glück dabei.
Keep on going – bis zum, hoffentlich baldigen, nächsten Bericht.
Dorie
5 Jahren agoDankeschön! Ja, da hast du recht, natürlich sollten die Ausnahmetalente einem die nötige Inspiration geben, ohne dass man sich daran aufreibt.
Ich freue mich sehr über deine lieben Worte
Birgit
5 Jahren agoLiebe Doris,
was für ein tiefschürfender, ehrlicher Beitrag! Deine Wortwahl und Überlegungen sind so treffend und man kann deine Gedanken dadurch sehr gut nachvollziehen. Aber summa summarum spricht gerade aus diesen Zeilen deine besondere Stärke! Erstens sich so zu offenbaren (schließlich sind das sehr persönliche Erkenntnisse),zweitens nicht in Selbstmitleid zu versinken und dann drittens die grosse Reise zu wagen, das zeigt doch wie selbstbewusst du doch bist. Du musst es nur zulassen! Und wenn Zweifel aufkommen….welcher Mensch hat die nicht, außer er belügt sich selbst.
Genieße diese Reise, sie wird dir noch mehr Selbstbewußtsein vermitteln und du wirst gestärkt zurückkommen. Es ist der richtige Zeitpunkt! Alles Weitere findet sich dann.
Ich freue mich jetzt schon auf deine weiteren Berichte.
Dorie
5 Jahren agoDaaaaaankeschööön <3 SO lieb und schön gesagt!
Reni E.
5 Jahren agoHallo liebe Dorie,
ich habe mir schon Gedanken gemacht, warum du alleine unterwegs bist. Aber zunächst einmal: WOW!!! Dieser Beitrag ist der Hammer! Ich bewundere deine Fähigkeit der (Selbst-)Reflexion! Ausserdem auch deinen Mut, alleine eine solche Reise zu unternehmen. Das hätte ich mich in deinem Alter niemals getraut. Du solltest wirklich nicht an dir zweifeln! Bei deiner mentalen Stärke, deiner Intelligenz und deiner natürlichen Schönheit solltest du vor Selbstbewusstsein strotzen.
Liebe Grüße und genieße deine Reise!!!
Reni
Dorie
5 Jahren agoLiebe Reni,
vielen lieben Dank für deine unglaublich netten Worte!
Das ist wirklich aufbauend und bestärkend 🙂
Liebe Grüße aus Indien